Es fällt nicht jeden Tag eine Hildesheimer Party vom Himmel. Umso relevanter ist es, wenn genau das eben doch passiert. Demnach sehe ich mich dazu verpflichtet, die Stimme zu sein, die diese Stadt hier so dringend benötigt: die Stimme der Unvernunft. So auch am 18. Januar; dem Tag der Fachschafts-Party (Geographie, Sachunterricht und Chemie) im Mauerwerk. Ich würde mich in der Überschrift gerne über den Namen der Party lustig machen, aber das ist der tatsächliche Name der Party gewesen. Ernsthaft. Me so corny. Ich war in meinem Leben nur ein einziges Mal im Mauerwerk. Klar, es war scheiße. Aber..mir fällt nichts ein, womit ich dem widersprechen könnte. Einer muss ja hin.
Zutaten 1x gelangweilter 19-Jähriger ohne Bezug zu irgendwem, der auf dieser Party sein wird
ca. 25x gelangweilte Mitte 20er ohne Bezug zum 19-Jährigen, der aus irgendeinem Grund da zu sein scheint
1x Weißwein
1x Handy mit 10% Akku
1x übermotivierter DJ, der scheinbar nur eine Charts-Playlist abspielt und die Spotify-Werbungen verbergen will (erfolglos)
schlecht pointierte Getränkenamen à la EIN-BECKER (weil es um Einhörner geht!!!!!)
1x ganz okaye Lasershow
1x zu großer Raum ohne Fenster
1x Nebelmaschine
1x zu starke Seife auf der Herrentoilette
Zubereitung Arbeitszeit: ca. 1 Std. / Schwierigkeitsgrad: schwierig / Kalorien p. P.: irrelevant
1. Man nehme den gelangweilten 19-Jährigen ohne Bezug zu irgendwem (,der auf dieser Party sein wird) nach einem unkontrollierten Nickerchen um 01:44 Uhr aus seinem Bett und schickt ihn mit einer übrig gebliebenen Flasche Weißwein Richtung Innenstadt. Stellen Sie sicher, dass er sich nicht eingestehen will, keine Lust zu haben.
2. Vertrauen Sie bloß nicht seinem Orientierungssinn; er wird Google Maps für den Weg brauchen. Lehnen Sie sich also für's erste zurück und genießen, wie der 19-Jährige unter dem Zeitdruck seines Handyakkus einem kopflosen Hühnchen in der Innenstadt ähnelt. Dann pfeffern Sie ihn in Richtung trunkener Menschenmassen, die aus der Richtung des Ziels auftauchen.
3. Lassen Sie ihn vor dem Mauerwerk für einige Minuten abkühlen. Es hilft ihm dabei, den Alkohol nicht zu verschwenden und sich das Ganze vielleicht doch nochmal zu überlegen.
Tipp: Vergessen Sie bloß, ihn daran zu erinnern, vorher nochmal zur Bank zu gehen. Auf diese Weise kann er die Warteschlange aufhalten, während er in seinem Portemonnaie nach Kleingeld kramt.
4. Schicken Sie ihn hinein. Er wird ohne ersichtlichen Grund den Augenkontakt mit den Türstehern vermeiden, jedoch ist das in Ordnung.
5. Schön, dass Sie den Tipp beachtet haben. Jetzt kann er sich gegenüber der reizenden Dame in der Garderobe peinlich berührt vorkommen, weil er sie sich (beide) nun nicht mehr leisten kann.
6. Halten Sie für einen Moment inne; ihre Hauptzutat analysiert den Raum. Menschen tanzen seelenlos zu lauter Musik, von der selbst das Radio nicht mehr überzeugt ist. Andere Menschen sammeln sich introvertiert in kleinen Gruppen an der Theke und machen keinen Anstand, sich zu integrieren. Wieso auch?
7. Platzieren Sie übrig gebliebene Menschen auf all den Sitzmöglichkeiten, damit der 19-Jährige in der ,,Social Lounge" stehen muss und vorgibt Spaß zu haben.
8. Er ist bereit für Unterhaltungen. Gott sei Dank, dass Sie ihn von dem Schlachter besorgt haben, der seine Jungen immer mit Eisbrechern und unkonventionellen Smalltalk-Themen würzt.
9. Drehen Sie den Ofen ehm ich meine Club auf gefühlt 300°C. So geht's Hand in Hand damit, dass der Protagonist seine Jacke an behalten muss.
10. Gewähren Sie ihm Freiraum, um auf die Toilette zu gehen. Das wird nicht schwierig, denn der Raum ist ohnehin überwiegend frei, weil kaum jemand präsent ist. Seine Gesprächspartner werden warten. Natürlich Hände waschen.
11. Aus Mangel an Alternativen ihn jetzt zum Rauchen mit seinen Gesprächspartnern rausschicken. Er raucht nicht, aber er sympathisiert stark mit den ebenfalls Gelangweilten.
12. An dieser Stelle werden die Mitstreiter aus unerfindlichen Gründen wieder hinein gehen wollen, so auch ihr 19-Jähriger. Hier macht sich nun der Einsatz der zu starken Seife bemerkbar: das Kreuz, das beim Einlass auf seine Hände gemalt wurde, ist von der Seife blendend ausgelöscht worden. Er wird nicht mehr in das Mauerwerk gelassen; der Rest ist bereits drin.
13. Lassen Sie ihn erneut für einige Minuten vor der Tür abkühlen, ehe er nach Hause geht. Er hat sich erneut keine späteren Identifikationsmöglichkeiten wie Handynummern ergattern können, er lernt einfach nicht dazu.
14. Bestellen Sie lieber etwas, das wird heute eh nichts mehr.
15. Gehen Sie sicher, dass Sie den 19-Jährigen das nächste Mal wirklich auf die Party schicken, statt ihn weiter schlafen zu lassen.
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