,,Du weißt, dass eine Party gut wird, wenn du keine Ahnung hast, wie du zurückkommen wirst." - Harold Holt.
Es fällt nicht jeden Tag eine Hildesheimer Party vom Himmel. Umso relevanter ist es, wenn genau das eben doch passiert. Demnach sehe ich mich dazu verpflichtet, die Stimme zu sein, die diese Stadt hier so dringend benötigt: die Stimme der Unvernunft. So auch am 18. März in Hannover. Nahezu jedes Mal, wenn vorgeschlagen wird, in Hildesheim auf eine Party zu gehen, stellen sich die Optionen als streng limitiert heraus. Schließlich fällt hier nicht jeden Tage eine Party vom Himmel. Somit liegt die Idee (circa 30 Kilometer) nahe, stattdessen Hannover unsicher zu machen. Den ganzen Tag lang.
Hildesheims Hauptbahnhof gilt für gewöhnlich als ein Hotspot für Notdienst- oder Polizeieinsätze, abhandengekommene Einkaufswagen und betrunkene Menschen, um die man nachts aus komplett nachvollziehbaren Gründen des Selbstschutzes lieber einen Bogen macht. Ich hatte noch nie so viele Menschen an einem Gleis stehen sehen, doch bin ich zuvor auch nie von hier aus nach Hannover gefahren. Diese Masse sollte es wohl zu einem auch von mir angestrebten Ziel führen: die HDI-Arena, Heimat des Fußballvereins Hannover 96. Eigentlich hatte ich nicht beabsichtigt dort zu landen, aber sind mir die Karten förmlich in den Schoß gefallen. Eine von 30.000+ Zuschauern erzeugte Stimmung an einem Samstagmittag sollte jegliche Atmosphäre einer mir bereits komplett bekannten, typischen Party der Vorwochen in den Schatten stellen. Extra hab ich mir Fußballphrasen in die Synapsen gebrannt und konnte es kaum erwarten Sätze wie ,,HAT SCHON! RRRRRRRRRUNTER MIT DEM CATCHER!" oder ,,Duuu, der Sané, ne? Der wird mal n ganz Großer. Bestimmt...zwei Meter!" gen Horizont zu brüllen. Fehlanzeige. Ein, wie von der gesamten Reihe hinter mir bezeichnet, müder Kick. Wer als Organisation von streunenden Gästen wie mir erwartet, extra eine Stadionkreditkarte für Nahrung und Flüssigkeiten zu besorgen, hat sich rein gar nichts verdient. Dementsprechend waren die Highlights dieser Exkursion wie folgt: Ein fremder Mann gestand mir seine platonische Liebe, ein gleichgeschlechtliches Paar fiel der Kisscam zum Opfer, das Maskottchen ,,Eddi" dabbte sich beschämenderweise zurück ins Jahr 2016 und eine Dame mittleren Alters rutschte mit ihrem Getränk wegen einer Pfütze aus. Hauptsache das Wetter stimmte! Was nicht der Fall war. Zwar verlangte am selbigen Tage noch das größte Event Südniedersachens meine Aufmerksamkeit, doch ich gab mich Hannover noch nicht geschlagen.
Ich hätte es also ruhig beim ersten Anlauf belassen können, allerdings hab ich mich dazu verpflichtet, ein authentisches Bild der Partyszene Hildesheims zu zeichnen. In Hannover. Auf Anraten vieler Einheimischer unterzog ich mich einem zarten Prozess namens ,,Limmern". Damit meint der Volksmund das Trinken in der Öffentlichkeit, wofür sich der Stadtbezirk Linden bestens zu eignen schien. Immerhin existiert ein Quartettspiel, das sich den zahlreichen Kiosks dort widmet, sodass man mittels Kategorien wie Öffnungszeiten oder billigstes Bier die individuell passendsten Vorkehrungen treffen kann. In dem Stil zog es mich von Kiosk zu Kiosk, ein Pfeffi mit stets sympathischer werdenden Besitzern nach dem anderen. Sie hatten sich ihr Trinkgeld verdient. In einem Versuch, mich organisch in die sozialen Normen dieser Metropole zu verflechten, rutschte mir ein ,,..wooooah, das sind coole Schuhe" heraus, als mir ein Herr mit coolen, leuchtenden Schuhen entgegenkam. Gefühlte Minuten später schrie eine Frau seiner Gruppe ,,Deine Schuhe sind auch hässlich!" zurück in meine Richtung. Ein Ausruf, der mich den ganzen Abend lang beschäftigen sollte. Fühlte sie sich angegriffen? Hatte ich wirklich hässliche Schuhe? Fragen ohne Antworten. Ablenkung musste her. Irgendwas Nennenswertes musste doch noch geschehen! Einer meiner Komplizen, der lieber unerwähnt bleiben würde, schlug eine Technoparty im Kulturbad, einem mittlerweile nicht mehr aktiven Schwimmbad, vor. Aus Verzweiflung in reinster Form willigte ich ein. Es folgte ein halbstündiger Fußmarsch durch einen niemals endenden Waldweg, gewürzt mit überflüssigen Brücken. Die Schlange war lang, doch wir hatten ohnehin noch Schnaps zu leeren. Die ganze Zeit über war unklar, wie viel der Eintritt kosten sollte. 10€. Pro Person. Mehr, als wir hätten aufbringen können. Weniger, als wir an Trinkgeld in Kiosks haben liegen lassen. Aus Beratungszwecken prügelten wir uns zurück durch die Schlange hinter uns und trugen unsere Köpfe immer ferner von den Defibrillator-ersetzenden Klängen eines alten Schwimmbads.
Mein Lachen hörte nicht auf. War es Verzweiflung, war es Leichtigkeit? Es war Glück. Und Müdigkeit. Aber hauptsächlich Glück. Wir saßen nach einem weiteren Fußmarsch in Linden fest. Ein langer Tag resultierte in einem mittellangen Nickerchen an der Haltestelle. Der Abend hatte uns arm und betrunken gemacht, also blieb uns nichts anderes übrig, als unseres Gleichen aufzusuchen: den Raschplatz. Um 03:00 Uhr die Geburtsstätte der Armen und Betrunkenen, um 03:30 Uhr die Grabstätte des Niveaus. Unser Grab wurde schon längst geschaufelt.
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